Landwirtschaft im Kapitalismus:

unvernünftig, unverträglich, unverbesserlich

 

Die Landwirtschaft im Kapitalismus ist den meisten Menschen mehr oder weniger vertraut als eine Reihe von Skandalen, die durch die Presse geistern. Vor 20 Jahren war es der Rinderwahnsinn oder BSE, in letzter Zeit waren es Skandale bei der Eierverarbeitung, bei Tierhaltung und Tiertransporten, das Glyphosat und das Nitrat im Wasser, das die Landwirtschaft ins Gerede brachte. Nicht zu vergessen die in Zeiten von Corona aufgedeckten skandalösen Arbeitsverhältnisse von Erntearbeitern, die davon zeugen, dass zu einer kapitalistisch betriebenen Landwirtschaft offensichtlich nicht nur Tierleid, sondern auch eine gehörige Portion Menschenschinderei dazugehören. Argument der Bauern für all diese Praktiken ist regelmäßig, dass sich nur so wirtschaftlich arbeiten lässt.

 

Ebenfalls kann man der Presse entnehmen, dass niedrige Erzeugerpreise, ausgelöst durch Produktionsüberschüsse, Verwerfungen internationaler Märkte, Dumpingpreise und Diktate der Supermärkte und Discounter die bäuerliche Existenz dauerhaft prekär machen und die Landwirte regelmäßig auf die Barrikaden steigen lassen. So sorgt dieser Tage ein Schreiben der Handelskette Spar an seine Lieferanten für Empörung. Der österreichische Handelskonzern lässt diese darin wissen, dass er künftig keine Lieferbeschränkung – d.h. keine Mindestbestellwerte -, keine Betriebsschließung und keine nicht verfügbare Ware während der Weihnachtsfeiertage dulden werde. „Wenn wir mit unseren 45.000 Mitarbeitern an die Leistungsgrenzen gehen, dann dürfen wir das auch von unseren Lieferanten erwarten“, wird der Konzern im Standard vom 11.Oktober 2020 zitiert.

 

Und dann gibt es ökologisch inspirierte Leute, die die Vergiftung der Umwelt kritisieren, aber nicht im Traum daran denken, die geschäftlichen Notwendigkeiten, die die Bauern anführen, zu kritisieren, sondern behaupten, Landwirtschaft im Kapitalismus ließe sich sehr wohl so betreiben, dass weder Natur noch der Mensch noch irgendein Lebensmittel eine Beeinträchtigung davonträgt. Die konventionell wirtschaftenden Bauern wiederum richten diesen ökologisch angehauchten Menschen aus: So kann man keine Massenproduktion hinbekommen, die auch noch billig ist und ein gesamtes Volk ernährt. Sie seien auf Grund der Preisdiktate der großen Abnehmer und Discounter genötigt, so zu wirtschaften. Die Großabnehmer ihrerseits rechtfertigen sich mit dem Verhalten des Verbrauchers, der alles immer noch billiger haben wolle.

 

Was kann man all dem entnehmen?

 

·         Das Einkommen von Bauern, die marktwirtschaftlichen Existenz von Bauern ist unverträglich damit, dass man die Natur schützt, dass man sie als Produktionsbedingung für die Landwirtschaft erhält und gute Lebensmittel herstellt.

·         Ein unverträgliches Verhältnis der Produzenten zu ihren Abnehmern. Die aufkaufenden und weiterverarbeitenden Multis spannen das Bauerntum in ihren Markt ein. Der „Nährstand“ nährt nicht „uns Verbraucher“, sondern die Geschäftsrechnungen dieser marktwirtschaftlichen Großunternehmen. Da gibt es wirtschaftliche Interessengegensätze von einem Niveau, die gegen bäuerliche Existenzen ausschlagen.

·         All das, was da einem an Interessengegensätzen vorgestellt wird, findet unter der reglementierenden und subventionierenden Einmischung des Staates statt.

 

Vom System, das all das hervorbringt, wollen alle, die über die Gepflogenheiten in der staatlich betreuten Agrarwirtschaft den Kopf schütteln, einfach nichts wissen. Was stattdessen stattfindet, ist ein giftiger Streit, in dem jeweils eine Partei die andere zum Schuldigen erklärt, der durch seine falschen Einstellungen für alle Übel in der Landwirtschaft verantwortlich ist. Die Bauern werden als Umweltschweine beschimpft, den ökologisch denkenden Landwirten wird Realitätsblindheit vorgeworfen. Der Verbraucher ist sowieso in der Schusslinie, weil immer gierig auf der Suche nach dem billigsten Produkt. Und die Politik fördert immer die Falschen. Jeder weiß einen Schuldigen zu benennen. 

 

Dem soll in der Sendung eine andere Sicht entgegengestellt werden. Vielleicht ist es eben nicht die Einstellung der verschiedenen Figuren zur Sache namens Landwirtschaft, sondern vielleicht ist die Sache selbst – Landwirtschaft im Kapitalismus - kritikwürdig.

 

Das soll in drei Kapiteln geklärt werden:

 

1. Worin besteht das Geschäft des Bauern im Kapitalismus?

 

2. Das kapitalistische Geschäft mit dem Bauern – Der Bauer als Lieferant der großen Handelsketten und der Lebensmittelindustrie

 

3. Die Bio-Landwirtschaft – Warum es sich dabei um keine Alternative zur Landwirtschaft im Kapitalismus handelt.

 

Lesetipp: Landwirtschaft im Kapitalismus in Gegenstandpunkt 1-04, https://de.gegenstandpunkt.com/artikel/landwirtschaft-kapitalismus